Ich scheine das mit der Regelmäßigkeit nicht mal ansatzweise hinzubekommen. Untergebene hätte ich bei derart eklatanter Nachlässigkeit längst durchs Studio getreten und gründlich verhauen, aber bei mir selbst? Wer nimmt sich meiner Nachlässigkeit an? Eben. Und damit sind wir auch schon mittendrin im Thema (hach, man nennt mich nicht zu Unrecht auch die Dunkle Königin der Überleitungen).
Ich gehöre allen beruflichen Ambitionen zum Trotz der ganz besonders perversen Spezies der Switcher an. Noch schlimmer, der bisexuellen Switcher. So, jetzt ist es raus. Das sind Leute, die sich für nichts entscheiden können und es ganz nach Belieben mal mit dem gleichen, mal mit dem anderen Geschlecht treiben und dabei ebenso nach Belieben mal die aktive und dann die passive Rolle einnehmen.
Sowas wird in der Szene gar nicht gern gesehen. Man soll sich gefälligst entscheiden und dann auch bitteschön seiner Rolle entsprechend verhalten. Immer und überall. Vor allem Tops, erst recht aber Domina-Kolleginnen, nehmen Switcher plötzlich nicht mehr ernst. Iiih, die spielt ja auch unten. Ganz so, als sei mit der sexuellen Präferenz auch ein tatsächlicher Status verbunden. Dahinter steckt ein absolut gruseliges Weltbild, das man besser nicht allzu genau beleuchtet. Man würde unweigerlich kotzen, direkt vor die frisch gewienerten Domina-Fickstiefel der geistig beschränkten Kollegin.
Da habe ich noch mehr Verständnis für meine Kunden, die lieber nicht wissen wollen, daß ich auch ihre Seite aus eigener Anschauung gut kenne. Schließlich verkaufe ich eine sehr fragile Illusion, bei der die Vorstellung von mir in Fesseln ein echter deal breaker wäre. Ich stehe für meine Kunden auf einem Podest, bin unantastbar, unerreichbar und immer auch ein bißchen unfehlbar. Dafür zahlen sie. Ich bin eine Göttin auf Zeit, und Göttinnen lassen sich nicht unterjochen.
Leider lasse ich mich gelegentlich ganz gern mal unterjochen, gebe die Verantwortung ab und überlasse einem anderen die Arbeit. Toppen kann nämlich ganz schön in Arbeit ausarten und ein Spiel auf der anderen Seite ist für mich ein Mini-Urlaub vom Selbst. Man muß nicht nachdenken, sich keine Sorgen machen, sondern kann sich einfach verwöhnen lassen. Im Idealfall taucht man ab in seinen ganz eigenen Subspace und taucht Stunden später körperlich zerschunden aber seelisch erfrischt wieder auf.
Aber was in der Theorie so einfach klingt, ist in der Praxis eher kompliziert, da man für dieses Konstrukt einen geeigneten Mitspieler braucht. Meine Geliebte und ich haben zwar sm-ig angefangen, aber viel Nähe, so schön sie auch ist, ist dem schmutzigen Sex in unserem Fall eher abträglich. Wir sind beide nicht unglücklich darüber (Kuschelsex ist toll, wirklich), aber einen knackigen Kurzurlaub kann ich bei ihr nicht mehr buchen.
Und die übrigen Kandidaten? T5, fast durch die Bank weg. Die Hälfte hat Angst vor einem Spiel mit mir. Schließlich bin ich die Expertin, schwinge die Peitsche zielsicherer und eleganter als sie und kenne womöglich auch mehr Tricks. Mit einer Laienbondage und ein bißchen Wunderkerzengezischel kann man mich nicht mehr beeindrucken. Ich bin natürlich längst nicht so kritisch wie sie glauben, aber das ist egal; sie haben Angst und ein Top, der offensichtlich Angst hat, taugt nicht für ein gutes Spiel.
Die andere Hälfte würde natürlich sehr gerne. Nichts ist besser für das männliche Ego als einer leibhaftigen Domina mal zu zeigen, wo der Hammer hängt, bzw. wo der richtige Platz für eine Frau ist (noch unterm Hammer nämlich). Leider taugen Männer mit Ego-Problemen noch viel weniger für ein heißes Intermezzo. Sie amüsieren mich im Zweifel nämlich so sehr, daß ich tatsächlich Gefahr laufen würde, in schallendes Gelächter auszubrechen. Und gehässig wiehernde Passive sind im Spielplan der Herren mit den dicken Eiern leider nicht vorgesehen.
Kürzlich packte mich mal wieder die Sehnsucht nach der anderen Seite und ich fand auch einen scheinbar geeigneten Kandidaten. Wir redeten und schnell heiß und vereinbarten dann ein SM-Date. Bei ihm. Er wirkte bei den ersten Treffen dunkel, gefährlich, unberechenbar und so souverän. Ich war gierig, hätte am liebsten gleich in der Toilette des Cafés ... Scheiß auf Stil. Aber gut.
Dann also Montag, bei ihm. Ich stand vor seiner Tür, den Kopf übervoll mit dreckigen Geschichten. Er würde mich an den Haaren in die Wohnung zerren. Sofort auf den Fußboden werfen und beschimpfen. Oder liegen lassen und ignorieren. Egal, klang alles gut. Wenn man so begierig ist, klingt erst mal alles gut. Nur nicht das, was dann kam.
Er öffnete die Tür und lächelte mich freundlich an. Ich lächelte irritiert, aber noch erwartungsvoll zurück. Er sagte: „Ich hab uns erst mal einen Tee gekocht. Oder möchtest du einen Wein? Vielleicht auch etwas essen?“ Ich sagte „Oh“ und dachte: „Nein du Idiot, ich möchte gefickt werden.“ Aber man ist ja höflich, auch im feuchten Zustand.
Dann setzte er sich aufs Sofa, legte Tom Waits auf und nahm seufzend meine Hand. Ich hatte eine dunkle Vorahnung. Er seufzte noch mal tief und erzählte dann eine laaaange Geschichte aus der Firma. Über seinen bösen Chef, die faule Sekretärin und seine mobbende Kollegen. Und davon wie schlecht die Welt ist, während er sie grad für mich noch ein bißchen schlechter machte. Vollidiot. Ich nahm den angebotenen Wein, jaja, laß die Flasche mal gleich hier, und floh so schnell ich konnte. Hat er keine beste Freundin für solche Aktionen?