Die TAZ von Samstag hat ein sehr langes Interview mit einem schwulen SM-Paar im Angebot (via wondergirl) und festigt damit mal wieder ihre Stellung als Hofberichterstatterin der SM-Szene. Keine andere deutschsprachige Zeitung berichtet so ausführlich, so offen und immerhin halbwegs klischeefrei über das Treiben der Perversen im Nachbarhaus wie die TAZ. Sie waren meines Wissens die ersten, die den Schlagzeilen, dem einzig semi-lesbaren Organ der Szene, einen Besuch abgestattet haben. Der anschließende Artikel war zwar fürchterlich schlecht und arbeitete noch sämtliche Klischees ab, aber man hatte sich doch irgendwie bemüht.
Das aktuelle Interview ist sehr persönlich und zwischendrin ziemlich rührend. Man kann die beiden fast schon vor sich sitzen und reden sehen. Gerd, der Top, erzählt an einer Stelle, wie er seinen Freund kennengelernt hat und ihm angesichts seiner Hingabe das Herz aufging. Ich saß zwar grad im Studio, also ganz im unberührbaren Domina-Modus, aber mir kamen sofort die Tränen, weil er so genau das beschrieb, was ich bei meiner Geliebten gefühlt habe. Diese unglaubliche Nähe zwischen zwei Menschen, dieses Behüten-müssen des zerbrechlichen und vertrauensvollen Wesens zu meinen Füßen.
Ansonsten sind in dem Interview vor allem die Stellen interessant, in denen es um Politik und Parallelen zur Hetero-SM-Szene geht. Er hat sehr recht, wenn er sagt, daß das ästhetische Ideal bei den Heten ganz anders ist als bei den Lederkerlen. Mir persönlich wäre es ja sehr lieb, wenn wir ein bißchen mehr von dem Uniform- und Männlichkeitsfetisch der Jungs in der Szene hätten. Ich trage unheimlich gern Uniform, finde aber diesen automatischen Polit-Beißreflex linker SMer bei diesem Thema ziemlich anstrengend. SM-Phantasien sind doch zum größten Teil eh so was von politisch unkorrekt, warum kann ich dann nicht einfach noch eine böse Uniform oben drauf packen?
Statt dessen ist die Szene voll von O-Imitaten und ihren patriarchatserprobten Herrchen, die endlich eine Nische gefunden haben, um dem Lebensstil ihrer Urgroßväter nachzueifern. Warum das korrekter sein soll als jemanden in Uniform öffentlich zu vergewaltigen ist mir absolut schleierhaft. Es ist vielleicht nicht ganz so aggressiv, aber die Struktur, die in vielen SM-Beziehungen zutage tritt, ist gesellschaftspolitisch wesentlich erschreckender.
Nicht verstehen kann ich Pits Problem mit der Politisierung von SM bei Heteros oder Lesben. Für einen Schwulen mag es von dem Coming out als Homosexueller bis hin zum Sahnehäubchen SM kein großer Schritt mehr sein, für eine homosexuelle Frau ist es ein ganz gewaltiger, der innerhalb der Frauenszene auch sofort politisiert wird. Viele Lesben sehen SM als eine Fortführung männlich-aggressiver Patriarchatsstrukturen unter Frauen. Lebt man als Lesbe offen SM, wird man von weiten Teilen einer ohnehin eher kleinen Szene sofort geschnitten. Für Heteros ist die Identitätsfindung als SMer auch nicht eben einfach, weil sie sich anders als Schwule nicht sowieso schon in einer hochgradig sexualisierten Szene bewegen. Da ist es doch kein Wunder, daß der Sex schnell zum Politikum wird. Genau wie Schwulsein an sich ja auch.
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